Foto: GEPA - The Fair Trade Company/Fischer

Zwischen Kirche und Wirtschaftswachstum

Was verbinden die Gesellschafter der GEPA mit „ihrem“ Unternehmen und warum halten sie schon so lange daran fest?

Die GEPA ist ein Handelsunternehmen, daran besteht kein Zweifel. Doch gleichzeitig ist sie auch eine Firma, die eine rein kirchliche Gesellschafterstruktur innehat. Ist das ein Widerspruch? Die Gesellschafter der GEPA (Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend, Bund der Deutschen Katholischen Jugend, Brot für die Welt / Evangelischer Entwicklungsdienst, Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ und MISEREOR), halten zum Teil schon seit 40 Jahren an ihrem Unternehmen fest. Warum eigentlich? Gabriele Cleeves ist der Frage nachgegangen!

 

Ende der 60er Jahre fing es an. Die Zeit der politischen Demonstrationen und Hungermärsche hatte begonnen. Langsam wuchs das Bewusstsein für die Mechanismen des Welthandels. Spenden alleine genügte nicht mehr, es sollte Hilfe zur Selbsthilfe ermöglicht werden. In den Niederlanden wurde die Stiftung S.O.S. (Stichting  Ontwikkelings Samenwerking) gegründet. Ihr Ziel es war, Produkte aus Entwicklungsländern ohne ausbeuterischen Zwischenhandel zu importieren, in Holland zu verkaufen und damit den Produzierenden aus ihrer Armut herauszuhelfen.

Im Vorstand saßen unter anderem auch Personen aus deutschen Jugendverbänden und Hilfswerken. Anfang der 70er Jahre organisierten unter anderem die kirchlichen Jugendverbände AEJ (Arbeitsgemeinschaft der Evangelischen Jugend) und BDKJ (Bund der Deutschen Katholischen Jugend) Friedensmärsche durch 70 Städte der Bundesrepublik. Die entwicklungspolitischen Forderungen waren, benachteiligte Gruppen in der „Dritten Welt“ zu unterstützen und die Märkte der Industrieländer für Produkte aus diesen Ländern zu öffnen.

Anhand des Verkaufs dieser Waren, die von kleinen, genossenschaftlich organisierten Produzenten hergestellt wurden, sollte über die entwicklungspolitischen Zusammenhänge informiert werden. Dazu wurde die Aktion Dritte Welt Handel (A3WH) gegründet. Sie bezog ihre Waren von S.O.S. Damals handelte es sich übrigens fast ausschließlich um Handwerksprodukte. Erstaunlich, wenn man bedenkt, dass inzwischen der überwiegende Anteil der Waren Lebensmittel sind. Der Erfolg der Aktion führte über die Gründung der „Dritte-Welt-Handel GmbH“ im Mai 1975 zur Gründung der „Gesellschaft zur Förderung der Partnerschaft mit der Dritten Welt GmbH“ (GEPA). Die AGKED (Arbeitsgemeinschaft kirchlicher Entwicklungsdienst), die Arbeitsgemeinschaft Dritte Welt Läden e.V. (AG3WL- Vorläufer des Weltladen-Dachverbands) und MISEREOR waren von Anfang an mit dabei.

Der Sitz von S.O.S. in Kerkrade war nur 12 Kilometer vom MISEREOR-Sitz Aachen entfernt. Gute Beziehungen zwischen den beiden Organisationen waren also buchstäblich naheliegend. Der erste GEPA-Geschäftsführer, Jan Hissel, war vor seiner GEPA-Zeit Mitarbeiter bei S.O.S. AEJ und BDKJ wurden nun Gesellschafter. Die Beteiligungsrechte der EKD (evangelische Gesellschafter in Deutschland) wurden vom EED (Evangelischer Entwicklungsdienst) und Brot für die Welt wahrgenommen. Ende der 90er Jahre trat der Weltladen-Dachverband seine Gesellschafteranteile bei den drei großen Fairhandels-Importeuren GEPA, dwp und El Puente ab. Mit der Einführung der Kooperationsverträge war es dem Weltladen-Dachverband ein Anliegen, nicht mehr die Seite der Eigentümer zu vertreten sondern die Perspektive seiner Mitglieder, der Kunden/-innen dieser Importorganisationen einzunehmen. Das Kindermissionswerk „Die Sternsinger“ wurde nun neuer Gesellschafter der GEPA, und damit wurde sie zu einem Handelsunternehmen mit ausschließlich kirchlichen Gesellschaftern.

Die Organisationsform

Es stellt sich die Frage, ob eine GmbH die richtige Organisationsform für ein solches Unternehmen darstellt. 1975 wurde die Entscheidung so getroffen. Ob sie heute noch Bestand hätte? Der Mitbewerber der GEPA, El Puente, hat die gleiche Organisationsform gewählt, allerdings mit einer ganz anderen Gesellschafterstruktur. Hier sind Handelspartner, Privatpersonen und Weltläden Gesellschafter. Die dwp eG. ist 2005 zur Genossenschaft geworden, um sich für neue Mitglieder zu öffnen und Kunden/-innen, Privatpersonen und Partner besser in das Firmengeschehen einzubinden. „Die evangelische Jugend wünscht sich eine Beteiligung auf breiter Basis – höhere Identifikation für Kunden und Jugendliche. Dafür gibt es verschiedene Modelle, eins davon könnte ein genossenschaftliches  sein“, sagt Michael Freitag von der AEJ.

Seit 1995 bietet die Beteiligungsgesellschaft der GEPA Privatpersonen die Möglichkeit der Geldanlage. Damit werden unter anderem Leistungen vorfinanziert, die zum Aufbau neuer Handelsbeziehungen nötig sind und bestehende Produzierenden-Partnerschaften intensiv begleitet und stabilisiert.

Die sehr gute Entwicklung der Beteiligungsgesellschaft spiegelt das Interesse auch von Privatpersonen wider, den Fairen Handel zu unterstützen. Wie in jeder Firma, die den Anschluss nicht verpassen möchte, gibt es auch bei der GEPA Strategiediskussionen, um das Unternehmen auf eine moderne Basis zu stellen. „Wir versuchen, eine zeitgemäße GEPA zu entwickeln mit guter Verbindung zwischen GEPA und den Kunden“, sowohl die direkten (Weltläden und Aktionsgruppen) als auch die Endkunden. (Thomas Antkowiak, Misereor)

Was auch immer eine Strategiediskussion künftig ergeben mag – eines ist sicher: der glaubwürdige Eigentümerhintergrund muss bleiben. Im „Gesellschaftsvertrag“ der GEPA sind die Firmenziele definiert:

+ Verbesserung der Lebensbedingungen von Menschen besonders in den Ländern der Dritten Welt, die in der regionalen und nationalen     Wirtschafts- und Sozialstruktur ihres Landes sowie der Weltwirtschaft benachteiligt sind

+ Den Partnern ermöglichen, unter menschenwürdigen Bedingungen am nationalen und internationalen Marktgeschehen teilzunehmen und für sich aus eigener Kraft einen angemessenen Lebensunterhalt sicherzustellen❱  Die Menschen in der BR Deutschland durch das Angebot von Erzeugnissen aus den Ländern der Dritten Welt über Lebens- und Produktionsstrukturen der Projektpartner zu informieren und Verständnis für damit zusammenhängende wirtschaftliche, soziale, ökologische und politische Fragen zu vermitteln sowie sie zu verändertem Verbraucherverhalten und Lebensstil anzuregen.

+ Alternativen für einen Fairen Handel mit Produkten aus Ländern der Dritten Welt aufzuzeigen, um damit auf strukturelle Veränderungen im Handel hinzuwirken. Diese Ziele decken sich mit denen der Gesellschafter. Für sie ist die Arbeit der GEPA ein Beispiel für die Konkretisierung ihrer ideellen Arbeit. Partner von Brot für die Welt und MISEREOR sind zum Teil auch Partner der GEPA. Im besten Fall wird die Suche nach neuen Handelspartnern erleichtert durch die Kontakte der Hilfsorganisationen. Die Unterstützung der Arbeit von (häufig kirchlich orientierten) Ehrenamtlichen in Deutschland und die Unterstützung der Partner in benachteiligten Ländern lässt sich somit gut verbinden.

Auch für die Jugendverbände bietet sich der Faire Handel als Lernbeispiel an. Jugendliche engagieren sich gerne für eine gute Sache.

Dabei spielen drei Dinge eine wichtige Rolle: a) sie wollen etwas für sich tun, b) sie wollen etwas für andere tun, c) sie wollen es in Gemeinschaft tun.

Der Faire Handel ist wunderbar dafür geeignet, die Komplexität von Gerechtigkeit und Weltwirtschaft in begreifbaren Häppchen darzustellen. Bei Aktionen und Kampagnen können Jugendliche aktiv werden und beim Verkauf fair gehandelter Produkte die Erfahrung machen, dass sich mit der Ware auch Botschaften „verkaufen“ lassen. Wenn der Erlös der Verkaufsaktionen dann noch dazu dient, die nächste Freizeit mitzufinanzieren, ernten die Jugendlichen die Früchte ihres Engagements. 

Ein gutes Beispiel gelebter Ökumene

Der Faire Handel entstand durch eine kirchliche, überkonfessionelle Bewegung. Bei allen Unterschieden gibt es hier eine große Übereinstimmung die zeigt, dass diese Zusammenarbeit gehen kann. Die gemeinsame Führung der größten europäischen Importorganisation kann deshalb als gelungenes Beispiel gelebter Ökumene betrachtet werden. Die kirchlichen Gesellschafter öffnen Türen. Aktionen wie „1000 Gemeinden trinken fair“ oder „Fairer Kaffee in die Kirchen“ waren möglich, weil die GEPA als ein Teil der Kirche empfunden wird. „GEPA sind wir“.

Und auch die Gesellschafter haben einen Imagegewinn davon, die GEPA zu „besitzen“ – es wird positiv bewertet, dass Kirche sich einmischt und einen Beitrag dazu leistet, alternative Handelsstrukturen in die Praxis umzusetzen. Inwieweit die ökumenische Gesellschafterstruktur in der Öffentlichkeit, also bei den Verbraucherinnen und Verbrauchern bekannt ist, lässt sich schwer einschätzen.

Ein großer Teil der immer noch umsatzstärksten Gruppe der GEPA-Kunden, die Weltläden und Aktionsgruppen ist aber sicher darüber informiert. Den Gesellschaftern wird das Vertrauen entgegengebracht, dass die Gelder an die richtige Stelle fließen und alles mit rechten Dingen zugeht. Sie verzichten auf Gewinnausschüttungen und finanziellen Profit. Damit kann die GEPA alle Gewinne in den Fairen Handel reinvestieren. Aber auch ein Wirtschaftsunternehmen Das wirtschaftliche Risiko des Unternehmens war von Anfang an groß. Damals wie heute garantiert es den Handelspartnern faire Preise, leistet bei Bedarf Vorauszahlungen und muss immer wieder erleben, dass Liefermengen, -termine und -qualitäten nicht eingehalten werden.

Zudem waren in den Anfängen des Fairen Handels manche Handwerksprodukte kaum verkäuflich. Trotzdem musste der Handel langfristig wirtschaftlich erfolgreich sein, um als erfolgreiches Beispiel für einen alternativen Handel zu gelten. Zunächst war Fairer Handel nur in Weltläden und bei Aktionsgruppen bekannt. Mit der Aktion „Jute statt Plastik“ erlangte ein fair gehandeltes Produkt einen Bekanntheitsgrad weit über die interne Szene hinaus. Mittlerweile sind Handelskriterien ein selbstverständliches Thema auch in der Presse. Viele Menschen machen sich Gedanken über ihren eigenen Lebensstil und dessen Auswirkungen. Daran sind Firmen wie GEPA maßgeblich beteiligt. Was sich stark verändert hat, sind die Ansprüche der Kunden/-innen. In den Anfangszeiten des Fairen Handels wurden die Produkte aus Überzeugung gekauft, fast unabhängig von ihrer Qualität. Diese Zeiten sind zum Glück vorbei.

Die Kunden/-innen legen Wert auf ein hochwertiges Produkt – Qualität für sich selbst – zu einem fairen Preis – Qualität für die Produzierenden. Die Waren müssen ethisch und qualitativ überzeugend sein. Dass dies keine weltfremde Idee von Gutmenschen sondern ein überzeugendes, wirtschaftliches Konzept ist, zeigen die wachsenden Absatzmengen fair gehandelter Produkte. Die Wahrnehmung des Fairen Handels ist deutlich stärker geworden, aber noch lange nicht an der Spitze angekommen. „Die Kirche ist gut beraten, diese Gesellschaft weiter zu hegen und zu pflegen, weil sie damit die Entwicklungen weiter begleiten kann.“ (Tilman Henke, Brot für die Welt) Die Grundsätze des Fairen Handels waren und sind beispielgebend für viele andere, auch privatwirtschaftliche Unternehmen. Dass es mittlerweile immer mehr Firmen gibt die nachhaltig, fair (auch den eigenen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gegenüber) und ethisch korrekt handeln, ist zu einem großen Teil der erfolgreichen Arbeit der Fairhandels-Organisationen zu verdanken.

Gabriele Cleeves


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