Ich bin deine Entwicklung

40 Jahre fair gehandelter Kaffee – was hat er bewirkt?

Wie kam der erste faire Kaffee zu uns? Seit mehr als 40 Jahren gibt es den Fairen Handel – das Jubiläum wurde vor einigen Jahren groß gefeiert. Als eines der ersten Produkte wurde der Kaffee aus gerechtem Handel eingeführt. Das klassische Kolonialprodukt – mittlerweile eines der beliebtesten Getränke der Deutschen – bot sich an, zum Vorzeigeprodukt des Fairen Handels zu werden.

Ab 1973 wurde Kaffee aus Guatemala von der MISEREOR-Partnerorganisation FEDECOCAGUA importiert. Dieser weltweit erste fair gehandelte Kaffee wurde als Indio-Kaffee von der Stiftung Steun voor Onderontwikkelde Streken (S.O.S.) in einer zweisprachigen Verpackung vertrieben – gleichzeitig in den Niederlanden und in Deutschland. In Deutschland wurde der Indio-Kaffee vor allem von den Gruppen der Aktion »Dritte-Welt-Handel« und auch der ökumenischen »action 365« verkauft. Die unerwartet große Nachfrage führte in der folgenden Zeit zum weiteren Ausbau des Lebensmittel-Angebotes im Fairen Handel.

Und genau dieser Guatemala-Kaffee wird in diesem Jahr 40! Das war Anlass für die GEPA, eine Neuauflage des Kaffees produzieren zu lassen, anhand dessen der Weg des Fairen Handels in den vergangenen 40 Jahren beschrieben werden soll. Auf der internationalen BioFach-Messe in Nürnberg hat die GEPA jetzt ihre Kampagne ›FAIRissimo! – Gut gemacht!‹ vorgestellt, mit der das 40-jährige Jubiläum des Fairen Kaffees bis Ende des Jahres gefeiert wird. »Mit der Kampagne möchten wir allen ›Danke‹ sagen, die sich in diesen 40 Jahren für den Fairen Handel eingesetzt haben«, erklärte GEPA-Geschäftsführer Robin Roth, »angefangen beim Genossenschaftsverband FEDECOCAGUA aus Guatemala über den GEPA-Gesellschafter MISEREOR, der den Anstoß zur Vermarktung des ›Indio-Kaffees‹ gab, bis zu den Aktiven in Weltläden und Aktionsgruppen, die als Pioniere des Fairen Handels den Kaffee in Deutschland verkauften. Und – nicht zuletzt – die vielen engagierten Verbraucherinnen und Verbraucher: Sie alle haben dazu beigetragen, dass der Faire Handel heute für Kleinbauernfamilien weltweit bessere Zukunftschancen eröffnet.«

MISEREOR war Ideengeber der Kaffeevermarktung: »Unser Ziel war damals, einen Kaffee ohne unfairen Beigeschmack zu erhalten, von bester Qualität und zu einem angemessenen Preis«, erklärte Thomas Antkowiak, Geschäftsführer von MISEREOR und Vorsitzender der GEPA-Gesellschafterversammlung. »Der Indio-Kaffee stand an der Wiege einer Entwicklung, dass Produzenten aus Ländern des Südens hier ihre Ware mit größerem Gewinn anbieten können. Fairer Handel verleiht den Produzentenorganisationen in den Herkunftsländern auch politisch eine Stimme, mit der sie Veränderungen bewirken können.«

Für die »action 365« ist auch vier Jahrzehnte nach der Einführung des Indio-Kaffees die Arbeit mit den Menschen von FEDECOCAGUA wichtig. Stefan Mook, Geschäftsführer des Verlags »action 365«, erklärt: »Von Beginn an war uns wichtig mit den Menschen in Guatemala in Kontakt zu sein und Hilfe zur Selbsthilfe zu leisten. Wir sind konsequent der Idee nachgegangen ein Land, ein Produkt und eine Organisation zu fördern. Das unterscheidet uns vom Fairen Handel. Für uns war und ist es gerechter Handel.« Der Verein »action 365« setzt auf Bildungsarbeit. Beispielsweise mit der Kaffeetüte in der Hand Gespräche zu führen und darüber das Bewusstsein der Käufer zu erlangen. »Der direkte Weg ohne Siegel und Supermarkt hin zur bewussten Kaufentscheidung ist unser Ansatz«, sagt Stefan Mook. 1973 stand der Gedanke im Vordergrund: Es muss sich etwas ändern – bei den Menschen dort und auch bei uns hier. Die Kleinbauern in Guatemala sollten in Freiheit und Würde leben und arbeiten können. »Dieses Ziel konnte durch 40 Jahre Treue in unserer Partnerschaft größtmöglich erreicht werden. Ein anderes Ziel war die Schuldbildung der Kinder. Auch dazu konnten wir durch den Aufpreis zum Kaffee beitragen. Das Ziel hier im eigenen Land war die Bewusstseinsbildung. Man muss bedenken, dass die meisten Menschen hier noch sehr eigene Vorstellungen über die Menschen und Zustände in der sogenannten Dritten Welt hatten. Deshalb sagten wir schon damals: Jedes Päckchen Kaffee muss eine Information mitbringen – über Sinn und Zweck dieser Partnerschaft und über mögliche Ziele«, erklärt Gerlinde Back, die die »action 365« mitbegründete und damals die Einführung des Indio-Kaffee begleitete.

Die GEPA arbeitet seit 1978 mit FEDECOCAGUA zusammen. Der Kaffee aus Guatemala ist Bestandteil gleich mehrerer Kaffeesorten wie zum Beispiel »Café AHA« oder »Milde Mischung« und natürlich sind die Bohnen im »Guatemala PUR« enthalten.

Der Faire Handel hat für die Menschen von FEDECOCAGUA viele Verbesserungen ermöglicht: »Früher gab es schlechte Wege und nur einfache Transportmittel, für viele nur Lasttiere wie Pferde oder Esel. Jetzt sind die Mitglieder ein ganzes Stück mobiler. Dadurch haben sie auch einen viel besseren Zugang zu Gesundheitsvorsorge und Krankenhäusern«, nennt Gerardo de León ein Beispiel.1

Die Mehrpreise hat der Genossenschaftsverband in viele Bereiche investiert, insbesondere in Verbesserungen bei Anbau, Ernte und Qualität, aber auch in Weiterbildungen zu Gesundheit. Gerardo de León ist seit mehr als 30 Jahren Verkaufs- und Exportmanager bei FEDECOCAGUA.²

Doch auch Frauen haben es in den vergangenen Jahren geschafft, in Führungspositionen aufzusteigen, was früher undenkbar gewesen wäre. So wie die Managerin Lily Palacios Argueta. Sie hat zehn Jahre bei der Genossenschaft als Verwaltungsangestellte gearbeitet und nahm später die Rolle der Managerin wahr. »Das ist eine Männerwelt. Sie haben sich an mich gewöhnen können. Innerhalb der Genossenschaft werde ich respektiert als Frau und als Managerin. Und ich respektiere die Männer in der Genossenschaft.«

Robin Roth ergänzt die Frage nach der Wirkung des Fairen Handels: »Viele meinen ›ich kauf fair ein und damit wird etwas relativ schnell gelöst‹. Aber so einfach ist der Faire Handel nicht. Das kann ich anhand einer Geschichte klar machen: Ich war in Sri Lanka bei einer Genossenschaft, in der 30 Jahre lang für die GEPA die Teepäckchen geflochten wurden. Ich habe gefragt, was das bewirkt. Eine ältere Dame kam mit ihrer Tochter, die sagte, ›meine Mutter arbeitet seit 30 Jahren an diesen Päckchen, ist Analphabetin und spricht kein Wort Englisch, nur Tamil. Ich konnte aber aufgrund der Mehrgelder des Fairen Handels in die Schule gehen, ich spreche Singali, Tamil und Englisch. Ich kann studieren und bin auf der UNI in Colombo.‹ Und dann sah sie mir in die Augen und sagte: ›Ich bin deine Entwicklung‹. Die Wirkung ist erst in der 2. Generation wahrzunehmen, in 20 - 30 Jahren sieht man das nicht unbedingt anhand der Infrastruktur, sondern anhand der Menschen. Und das ist schwer zu messen. Mein Verständnis des Fairen Handels ist oft Hoffnung, Zukunft und Veränderung für die Kinder. Aber man muss auch anmerken: die meisten Kinder der Kaffeebauern wollen jetzt keinen Kaffee mehr anbauen, sie wollen in die Stadt, sie wollen Ärzte werden, das ist auch Entwicklung.« gj

1,2 Quelle: GEPA


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