Montags ist Ernte-Tag in La Libertad. Auch an diesem Montag im Mai 2017, als wir uns auf den Weg zu den Bananenbauern von Urocal machen. La Libertad ist eine Region in der Nähe der Hafenstadt Machala im Süden Ecuadors. Machala wird auch die Hauptstadt der Bananen genannt, denn sie liegt in der Provinz El Oro, der Bananenhochburg in Ecuador.
Unsere Reisegruppe ist auf Einladung der Kampagne „Make Fruit Fair“ unterwegs – ein Media-Trip, der uns vier Journalisten unter der Leitung von BanaFair-Mitarbeiter Helge Fischer den Weg der fair gehandelten BanaFair-Banane vom Baum bis zum Hafen näher bringen soll. Dazu lernen wir Urocal und natürlich viele Menschen kennen: die Bananen- und Kakaobauern und -bäuerinnen, die Mitarbeiter*innen von Urocal, BanaVid und dem Landwirtschaftsministerium von Ecuador. Sowohl BanaFair als auch Urocal sind Mitglieder der Kampagne „Make Fruit Fair“ (s.u.).
In Ecuador baut man auf einer Fläche von mehr als 184.000 Hektar Bananen an. Neben Erdöl ist es das wichtigste Exportgut des Landes. Gleichzeitig ist Ecuador der größte Bananenexporteur der Welt. Rund 30 Prozent der weltweiten gehandelten Bananen stammen von hier. Kein Wunder also, dass Bananen das Land regieren – zumindest im Küstengebiet.
Wir erkennen die Welt der Bananen bereits auf dem Weg vom Flughafen in Guayaquil, rund zwei Autostunden nördlich von Machala. Links und rechts der Straße tun sie sich auf – riesige Plantagen in unendlichem Ausmaß. Alle sehen gleich aus, lediglich die Namen an den Eingängen variieren. Auch die Bananenstauden sehen alle gleich aus: Sie sind alle gleich hoch – vielleicht, damit die Pestizidflieger es einfacher haben. Doch dazu später mehr. Hoch aufragend ein Schild inmitten der grünen Landschaft: Werbung für Roundup, dem weltweit meistverkauften Unkrautvernichter der Firma Monsanto.
Das also ist unser erster Eindruck im Bananenland: Monokultur in Reinform wohin das Auge sieht und angepriesene Pestizide. Hm, was mag noch kommen?
Es kommen noch so viel mehr Eindrücke, die uns letztendlich versöhnlicher stimmen, denn die Arbeit im Bananenanbau der Kleinproduzenten ist völlig anders als die der Plantagen. Nur leider reichen deren Früchte nicht aus, um die weltweite Nachfrage zu bedienen.
Wir fahren mit dem Geschäftsführer von Urocal, Joaquin Vásquez, zu Yoni Yanzaguano, dem Präsidenten von Urocal. Er baut Bananen und Kakao auf seiner neun Hektar großen Finca an. Gemeinsam mit seinen beiden Söhnen und dem Schwager – ein Familienunternehmen also. Hier, wie auf den anderen Fincas von Urocal auch, wird Biodiversität groß geschrieben. „Bei uns werden Bananenbäume und Kakaobäume angepflanzt. Wir halten auch alte, große und schattenspendende Bäume. Das bringt uns viele Vorteile, weil sich dann verschiedene Insekten, Schmetterlinge und kleine Pflanzen ansiedeln, die wiederrum für gesunde Bananen- und Kakaobäume sorgen“, sagt Yoni.
Mit ihm erleben wir einen typischen Erntetag. Die Bananenstauden werden vom Baum geschlagen (dieser ist ungleich höher als die Plantagenbäume), aufgefangen und zur Waschstation gebracht. Dort teilen die geschulten Hände der Frauen die noch quietschgrünen Bananen zu den typischen Bündeln mit sechs bis zehn Bananen. Laut Bananenverordnung der EU müssen sie 14 cm lang und 27 Millimeter dick sein sowie eine Krümmung aufweisen. Zur Not wird nachgemessen. Der Ausschuss wird für den Eigenverbrauch genutzt oder an die Püree-Fabrik verkauft, die daraus Brei oder Trockenpulver für den Export herstellt – auch für das Bananenpüree für den Batida del Mundo der GEPA und die Bananenprodukte von Ethiquable in Frankreich. Sind die Früchte gewaschen werden sie mit einem biologisch-abbaubaren Fungizid eingesprüht, um zu verhindern, dass auf dem Transport Keime eindringen. Versehen mit dem BanaFair-Aufkleber werden sie in die uns bekannten Bananenkisten verpackt, vakuumiert und treten dann ihren Weg in die weite Welt an.
Yonis Familie produziert rund 140 Kisten pro Woche – sie alle sind für BanaFair bestimmt. Mit Kleintransportern werden die Kisten von den Urocal-Fincas zur Packstation gebracht. Dort gibt es erste Stichproben auf Qualität und Größe durch Mitarbeiter der staatlichen Kontrolle. Anschließend geht es mit LKW zur Verladehalle in Machala. Ein sehr interessantes Spektakel. Immer mehr der vollgepackten Fahrzeuge fahren bis spät in die Nacht in die Halle, Helfer packen die Bananenkisten auf Paletten, zurren sie ein und dann kommt auch schon der Container – „Hamburg-Süd“ steht darauf – in die Halle gefahren. Jetzt noch mit dem Gabelstapler (der Fahrer ist ein wahrer Künstler seines Faches) in den Container, zusperren, versiegeln und ab geht es zum Hafen, wo die gekühlte Fracht donnerstags verschifft wird. BanaFair erhält zwei Container pro Woche, das macht zweimal 1080 Kisten Bananen. Rund drei Wochen sind die Früchte unterwegs, bevor sie in Hamburg ankommen. Von dort geht es mit LKW nach Karlsruhe zur Reiferei und dann holen die BanaFair-Kleinbusse sie dort ab und verteilen sie in den Weltläden. Weitere werden per Spedition zum Biogroßhandel geliefert.
Die Bananen sind auf den Weg gebracht – wir fahren zurück nach Machala zum Sitz von Urocal und erfahren, dass die Union Regional de Organizaciones Campesinas del Litoral, kurz Urocal, 1974 gegründet wurde. „Wir stammen aus der Landlosenbewegung, denn Anfang der 1970er Jahre gab es große Landkonflikte hier in Ecuador. Wir haben die Genossenschaft gegründet, um kleinbäuerliche Strukturen zu erhalten und neu aufzubauen“, erklärt Joaquin, der als Gründungsmitglied die Geschicke von Urocal stets mitgemacht hat. Als einer der ersten Organisationen in Ecuador konnte Urocal 2001 die Bio- und Naturland-Zertifizierung für die ersten Fincas einführen. Rund zwei Dutzend Dorfkooperativen, Produzentenvereinigungen und Frauenkomitees sind hier vereint, mittlerweile sind es schon 284 Mitglieder. Darunter etwa 120 Bananenbauern. Der Leitspruch von Urocal heißt nicht umsonst „Por la vida“ – Für das Leben!
Eine neue Organisation, die quasi zwischen Urocal und der Regierung steht, ist BanaVid. Das Netzwerk kleinerer und mittlerer Bananenproduzenten ging aus einer Initiative von Urocal zur Selbstorganisation der Produzentenverbände hervor. In Ecuador gibt es 70 Organisationen wie BanaVid, um Kleinbauern bei der Vermarktung zu unterstützen. Im Büro des Landwirtschaftsministerium erklärte Marco Oviedeo, Leiter des Programms zur Förderung von Kleinbauern, dass die Regierung ein großes Interesse daran habe, die Bauernorganisationen zu unterstützen, neue Exportprodukte zu entwickeln und zu akquirieren. „Wir haben ein bereits ein Förderprogramm für kleinbäuerliche Landwirtschaft öffentliche gemacht. Dabei geht es darum, die Weiterverarbeitung von Bananen und Kakao, aber auch Garnelen zu fördern“, sagt der Agrarwissenschaftler. Die Vertreter von BanaVid und Urocal setzen große Hoffnungen in die im Mai 2017 neu gewählte Regierung.
Sieht man genau hin, beherrschen nur eine Handvoll Familien die Bananenproduktion in Ecuador. In Ecuador gibt es mehrere Tausend Bananenplantagen, die Hauptabnehmer der Früchte sind Chiquita, Dole, Del Monte und Noboa. Sie allein machen knapp 75 Prozent des gesamten Bananenmarktes unter sich aus. Um die Plantagen anzulegen, wurden in den vergangenen Jahrzehnten riesige Flächen einstigen Regenwaldes abgeholzt. Die Monokultur hat zur Folge, dass sich Schädlinge schneller ausbreiten, was wiederrum den Einsatz von Pestiziden erfordert. Im vergangenen Jahr hat die Kampagne Make Fruit Fair gemeinsam mit Oxfam eine Studie herausgebracht, die sowohl die Arbeitsbedingungen als auch die massive Umweltverschmutzung im Bananensektor beschreibt. Ein kurzer Videofilm (https://www.youtube.com/watch?v=FGU2ohEBvE8 ) zeigt außerdem, wie die Pestizidflieger auch über die Menschen sprühen. Der Skandal ist nicht, dass gesprüht wird. Der Skandal ist, dass ohne Rücksicht auf Mensch und Tier bis zu zweimal täglich gesprüht wird.
Trotz des Wissens um die Menschen- und Arbeitsrechtsverletzung, die Umweltverschmutzung und die Machtgier einzelner Großunternehmer, haben uns die guten Ansätze, die bei den Bauern von Urocal sichtbar sind, Mut gemacht. Mut, den Fairen Handel weiter zu fördern. Hier bauen die Menschen ihre Früchte mit Leidenschaft und ohne chemische Dünger und Pestizide an. Im Einklang mit der Natur kann so auch der gefährliche Sigatoka Negro, der schwarze Pilz, der die Blätter der Bananenstauden absterben und die Früchte viel zu schnell reifen lässt, (noch) in Schach gehalten werden. Auf den Fincas der Kleinbauern sind die Menschen fröhlicher als in der Stadt. Sie haben Pläne für ihre Kinder, schauen voll Zuversicht in die Zukunft. Sie tun sich zusammen, um etwas zu bewegen.
Es liegt auch an uns, sie dabei zu unterstützen!
Weitere Informationen:
https://www.youtube.com/watch?v=-lz6SrHOwf8
http://www.bananen-seite.de/Bananen/fair.html