Fair und regional!

Widerspruch oder Ergänzung?

Global denken – lokal handeln! Diese Forderung ist aktueller denn je. Lokal handeln heißt auch, Regionalität im Blick haben. In und aus der Region einkaufen ist IN. Viele Menschen hierzulande kaufen heute wieder bewusst beim Metzger oder Bäcker nebenan oder lassen für den Apfel von der Streuobstwiese die Mango im Regal. Regional ist auch deshalb so beliebt, weil es besonders nachhaltig sein soll. Wenn aber Regionalität nachhaltig ist, kann es der Faire Handel dann auch sein? Mangos und die klassischen Fairhandelsprodukte wie Kaffee, Tee und Kakao wachsen schließlich nicht in unserer Region. Somit scheint Regionalität auf den ersten Blick nicht mit dem Fairen Handel zusammenzupassen.

 

Und doch kann regionales Einkaufen die Idee des Fairen Handels ergänzen. Der Begriff „Nachhaltigkeit“ ist in aller Munde. Schlagen wir Zeitungen und Zeitschriften auf, sticht der Begriff direkt ins Auge. Die Generalversammlung der Vereinten Nationen hat das Jahr 2017 beispielsweise zum „Jahr des nachhaltigen Tourismus“ erklärt. „Nachhaltigkeit“ ist ursprünglich ein Prinzip aus der Forstwirtschaft, nachhaltig ist es, nicht mehr Bäume zu fällen, als nachwachsen können, um kontinuierlich auf die Ressource Holz zurückgreifen zu können. Dieses Prinzip lässt sich auf viele weitere Ressourcen übertragen. Es soll sicherstellen, dass ein natürliches System in seinen wesentlichen Eigenschaften langfristig erhalten bleibt. Eine der meist  gebrauchten Definitionen des Nachhaltigkeitsbegriffes ist die Definition des Brundtland-Berichtes der Vereinten Nationen von 1987. In dieser heißt es frei übersetzt: „Nachhaltige Entwicklung ist eine Entwicklung, die gewährt, dass künftige Generationen nicht schlechter gestellt sind, ihre Bedürfnisse zu befriedigen als gegenwärtig lebende.“ Die Erhaltung und Bewahrung der natürlichen Lebensgrundlagen für unsere Nachkommen: Das ist unser aller Verantwortung. Im Zuge dessen wird die Konzentration auf Regionalität immer beliebter.

Immer mehr Menschen legen Wert auf Produkte, die im Umkreis ihres Heimatortes produziert oder weiterverarbeitet wurden. Das hat sehr viele Vorteile. So werden Wirtschaftsstrukturen im Umfeld gestärkt und die kürzeren Wege bedeuten weniger Transport und damit auch weniger klimaschädliche Treibhausgase in der Atmosphäre.

An die nachfolgenden Generationen denken

Regionalität ist also grundsätzlich ein guter Ansatz. Doch wie steht es dabei mit dem Fairen Handel? Auf den ersten Blick passen Regionalität und Fairer Handel nur schwer zusammen. Das eine konzentriert sich auf Strukturen „vor der Haustür“, während der Faire Handel sich nach wie vor auf Produkte von benachteiligten Kleinproduzenten aus den Ländern südlich des Äquators konzentriert. Auf den zweiten Blick allerdings zeigt sich, dass Regionalität und Fairer Handel sich gut ergänzen können, wenn es um das Ziel von mehr Nachhaltigkeit geht. Denn eines ist klar: Wenn wir an nachfolgende Generationen denken, dann dürfen wir nicht nur unsere eigenen Kinder und Kindeskinder im Sinn haben, sondern müssen auch im Blick behalten, welche Auswirkungen unser Lebensstil in anderen Regionen der Welt hat. Daniel Jüttner von Brot für die Welt beispielsweise verweist darauf, dass „sich ökonomische Prozesse innerhalb von menschenrechtlichen Leitplanken und den ökologischen Belastungsgrenzen unseres Planeten vollziehen müssen.“ Es wäre viel zu verkürzt, sich darauf zu konzentrieren, dass im regionalen Umfeld alles gut läuft, während anderswo Existenzgrundlagen zerstört werden.

Regionale Strukturen auch im Süden stärken

Den Apfel also von der Streuobstwiese um die Ecke, den Kaffee fair gehandelt– eine gute Mischung. Doch wie sieht es aus, wenn ein Produkt sowohl regional als auch fair gehandelt verfügbar ist? Kaufen wir dann fair gehandelten Rotwein oder lieber den vom Winzer im Ort? Kaufen wir den Honig von nebenan oder den aus Mexiko? Bleiben wir bei dem Beispiel. Bei Honig spricht schon die Tatsache, dass in Deutschland nicht ausreichend davon produziert werden kann, dafür, die Lücke mit fair gehandeltem Honig zu schließen. Vor allem aber stellt die Honigproduktion im Süden zusätzliche Erwerbsmöglichkeiten für Kleinbauern*innen dar. Eine Kaffeekooperative, die neben dem Export von Kaffeebohnen auch Honig vertreibt, stellt das Einkommen auf eine breitere Basis und mindert damit das Armutsrisiko.

Diversifikation ist für die Kleinproduzent*innen ungemein wichtig So lässt sich festhalten: Sowohl der Honig aus der Region als auch der fair gehandelte Honig aus Lateinamerika haben Vorteile. Und natürlich schmecken sie auch ganz unterschiedlich. Daher ist es gut, beide Sorten im Regal zu haben. Doch natürlich gilt auch im Fairen Handel: Nicht alles muss um die Welt verschifft werden. Viele Fair-Handels-Akteure haben längst erkannt, wie wichtig es ist, lokale Vermarktungsmöglichkeiten für die Fair-Handels-Produzenten zu erschließen. Die Ausweitung des Fairen Handels auf lokale Märkte in den Produzentenländern sowie die Weiterverarbeitung im Herkunftsland sind ein weiteres Beispiel, wie Regionalität und Fairer Handel zusammengreifen können. Die Stärkung der lokalen Märkte sind vielen Handelspartner*innen bereits sehr wichtig, schließlich gilt auch für die Produktionsländer, dass regionaler Einkauf nachhaltig ist. Die GEPA ist da bereits auf einem sehr guten Weg und fördert das Engagement der Produzenten*innen beim Aufbau von Süd-Süd-Strukturen. In Santiago Pinotepa Nacional in Mexiko haben sich im Jahr 1992 Kleinbauern aus dem Maya-Volk der Mixtekas gegen viele Widerstände seitens großer Bienenzüchter und Zwischenhändler zu einer Vereinigung zusammengeschlossen. Zusätzlich zur Honigproduktion bauen die Bauern sowohl Mais, Bohnen, Früchte und Kürbisse für den Eigenbedarf sowie Sesam und Hibiskus für den lokalen Markt an. Durch den Verkauf des Honigs decken manche Bauernfamilien bis zu drei Viertel ihres Geldeinkommens ab. Der Faire Handel ermöglichte es ihnen zum Beispiel, ein zentrales Lagerhaus zu bauen und einen Lastwagen für den Honigtransport anzuschaffen.

Das WFTO Garantiesystem kann ebenfalls dazu beitragen, lokale Initiativen in den Ursprungsländern zu stärken. Dabei soll besonders die Erhöhung der Wertschöpfung für Produzenten*innen sowie die Sicherung und Erschließung von (lokalen) Märkten gefördert werden. Gleiches gilt für die Vernetzung der Produzenten*innen mit vergleichbaren Gruppen im Land und in der Region und die Stärkung des Handels Nachbarländern (Süd/ Süd-Handel). Jens Klein von Ehtiquable plädiert für die Weiterverarbeitung im Ursprungsland: „Die Importeure sollten ihre Handelspartner*innen verstärkt dabei unterstützen, die lokale Weiterverarbeitung auszubauen und somit auch auf dem heimischen Markt erfolgreich zu sein. Nur so entstehen echte Perspektiven und unabhängige Produzentengruppen.“ Doch nicht nur die Weiterverarbeitung in den Produktionsländern ist für den Fairen Handel wichtig, auch der lokale Markt wird zunehmend für Fairhandelsprodukte interessant. Es gibt auch in Peru, Indien oder Südafrika die Nachfrage nach fair gehandelten Produkten aus der Region. Jens Klein: „Nachhaltige Entwicklung sollte jedoch nicht alleine in Abhängigkeit vom globalen Markt erfolgen. Global denken, lokal handeln: Was für hiesige Agenda-Prozesse gilt, lässt sich auch auf Märkte in Lateinamerika, Afrika und Asien übertragen. Die Partnerschaft mit Fairhandelsakteuren aus dem Norden kann wichtiger Impulsgeber und Katalysator sein, aber daraus sollten neue Möglichkeiten, keine neue Abhängigkeiten entstehen.“

Öko-fair – ein gelungenes Beispiel

Nachhaltigkeit und Regionalität sind also wesentliche Bausteine des Fairen Handels, dessen Aufgabe es seit jeher ist, Bildungsarbeit für nachhaltigere Lebensweisen zu betreiben. Das ist der Ursprung des Fairen Handels, darin war und ist er erfolgreich. Bildungsarbeit muss sich dafür einsetzen, dass Nachhaltigkeit allgemein vorangetrieben wird und nicht als leere Worthülse verdampft. Als positives Beispiel ist die Öko-faire Idee zu nennen. Hier haben sich Fair, regional und Öko zusammengetan.

Angefangen von den Apfel-Mango-Säften von dwp bis hin zu Joghurt mit fair gehandeltem Bananenpüree der Molkerei Berchtesgadener Land und Banafair. Schon 1986 haben sich GEPA und Naturland für Biokaffee zusammengetan, nur ein Jahr später wurden dwp und Banafair Mitglied bei Naturland. Und seit 2010 gibt es Produkte mit dem Naturland-Fair-Siegel. „Gemeinsam mit den Fairhandelsorganisationen haben wir die Naturland Kriterien weiterentwickelt zu Naturland Fair. Bei Produkten, die das Naturland Fair Zeichen tragen, stammen nach Möglichkeit alle Rohstoffe aus Fairem Handel. Auf diese Weise entstehen Synergieeffekte, die Öko-Landbau und Fairen Handel zugleich voranbringen“, sagt Andreas Ziermann von Naturland-Fair.

Produkte von Lokal denken – global handeln

Die Molkerei Berchtesgadener Land ist ein Beispiel für die Zusammenarbeit des Fairen Handels mit regionalen Anbietern im Norden. Es soll ein Beispiel sein, dass faires Wirtschaften in allen Regionen der Welt Zukunft sichert. Seit 2010 wird dort Milch nach den Richtlinien von Naturland Fair erzeugt und gehandelt. Dazu kommen Kooperationen mit GEPA, dwp und BanaFair, die ihre fair gehandelten Produkte (Rohrzucker, Kakao, Bananen) in die Produktpalette der Molkerei-Genossenschaft einfließen lassen. Alle Bio-Joghurts mit Banane enthalten neben der Milch aus dem nördlichen Alpenraum auch fair gehandelte Bananen aus Ecuador. Im Bereich Kakao und Rohrzucker sind GEPA und dwp als Kooperationspartner. „Die Molkerei Berchtesgadener Land zahlt im Durchschnitt der letzten zehn Jahren den höchsten Milchpreis national; zudem ist man seit 2010 nicht nur Naturland, sondern auch Naturland Fair zertifiziert. Schrittweise werden neben dem Rohstoff Bio-Milch auch Zucker, Kakao und beispielsweise Bananen auf Bio&Fair-Qualtität umgestellt. So gesehen bedient die Marke Berchtesgadener Land die drei großen aktuellen Trends Bio, Fair und Regional in der Lebensmittelbranche und verknüpft diese zu einem sehr erfolgreichen Markensortiment mit hohem Vertrauen bei den Verbrauchern“, sagt Barbara Steiner-Hainz, Leiterin Presse und Produktmanagement der Molkerei Berchtesgadener Land.

Die Sensibilisierung für das, was gemeinhin als nachhaltig angesehen wird, ist in den vergangenen Jahren größer geworden ist. Vor allem was unser Konsumverhalten angeht, gibt es zahlreiche Möglichkeiten durch bewussten Einkauf Einfluss zu nehmen. Regional und Fair zeigen einen Weg auf, wie es anders geht.

Gundis Jansen-Garz, Ruben Quaas/Brot für die Welt

 

Drei Fragen an: Barbara Steiner-Hainz

Leiterin Presse und Produktmanagement der Molkerei Berchtesgadener Land

W&H: Wie ergänzen sich Fairer Handel und regionale Produkte?

Barbara Steiner-Hainz: Das Verbraucherverhalten ist derzeit stark beeinflusst von folgenden drei starken Trends: Bio, Fairness und Regionalität. Die anerkannt ökologische Bewirtschaftung von landwirtschaftlichen Fläche sichert die Qualität unseres Grundwassers und erhält den Boden nachhaltig. Durch den Kauf von Bio-Lebensmitteln wollen Verbraucher*innen einen Beitrag dazu leisten und sichern sich gleichzeitig für sich und ihre Familien den Genuss von gesunden, rückstandsfreien Lebensmitteln.

W&H: Und wie sieht es mit der Regionalität aus?

Barbara Steiner-Hainz: Wir leben in einer ubiquitären vom Weltmarkt bestimmten Umwelt (CETA, TTIP; oGT). Diverse Krisen und unterschiedliche Qualitätsstandards haben das Vertrauen der Verbraucher*innen in nicht klar zurück verfolgbare Lebensmittel – insbesondere Grundnahrungsmittel des täglichen Verzehrs – erschüttert. Daher greifen Verbraucher vermehrt auf Produkte mit klar definierter und damit nachvollziehbarer Herkunft. Bayern und bayerische Lebensmittel sind bei Verbraucher*innen als qualitativ hochwertig und sicher angesehen.

W&H: Steht da der Faire Handel nicht im Weg?

Barbara Steiner-Hainz: Nein, denn das Ungleichgewicht von Arm und Reich besteht heute nicht nur zwischen dem Süden und dem Norden, auch in Europa können viele, obwohl sie Vollzeit arbeiten, nicht mehr von ihrer Arbeit leben. Das wird als unfair wahrgenommen und verstanden. Die Nachfrage nach fair gehandelten Produkten steigt. Insbesondere für die Produktgruppe Milch und Milchprodukte aus dem Norden wird der Markt seit dem Milchstreik 2008 für die Erzeuger*innen mehr und mehr von Verbraucher*innen als unfair wahrgenommen. Die Kombination mit klassischen Fairhandelsprodukten kommt gut an. 

 

 


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