Viele Eindrücke aus Ruanda konnte die Reisegruppen sammeln. Doch es bleibt noch viel zu tun für das kleine Land in Afrika.

Faire Spurensuche in Ruanda

Mit El Puente zu einer Informationsreise in das Land der tausend Hügel

Mille Collines – das Land der tausend Hügel, wie Ruanda auch genannt wird. Doch diese romantische Beschreibung greift nicht alles, was das kleine, facettenreiche Land zwischen den großen Seen Afrikas ausmacht. Die Reise über den Äquator war für die Reisegruppe mehr als eine touristische Annäherung an ein völlig anderes Leben. EL PUENTE hat diese Reise zu den Fairhandelspartnern ASSOPTHE und SORWATHE (Tee) sowie Kopakama (Kaffee) initiiert, um Mitarbeitenden aus Fairhandelszentren und Weltläden die Möglichkeit zu bieten,

die Lebenssituation der Produzenten kennen zu lernen. Also machten sich Besnik Terholli (El Puente), Silke Lüttgens (Weltladen Bornheim; WLDV), Renate Schiebel (Weltladen Obersdorf; WLDV), Markus Raschke (FAIR Handelshaus Bayern), Werner Fusenig (FAIR-Handelsgesellschaft Münster), Petra und Ralf Gebhard (Weltladen Augsburg), Margit Meier (FAIR Handelszentrum Langquaid), Rita Otte (Weltladen Hannover), Max Timm (a-venir Lüneburg; die Lünebohne), Jakob Dierksen (die Lünebohne), Gundis Jansen-Garz (Welt&Handel) und Reiseleiter Tadeuzs Makulski (WFTO Polen) auf den Weg nach Ruanda.

 

 

Der Auftrag war klar – wir verschaffen uns ein lebendiges Bild von den Handelspartnern in Ruanda und gewinnen einen Eindruck von dem, was der Faire Handel bewirken kann. Doch in Ruanda ist selbst der Faire Handel anders… Unsere Reise startete am 9. April 2016 – zwei Tage zuvor jährte sich der Genozid-Beginn zum 22. Mal, der – beginnend mit dem 7. April 1994 – in knapp drei Monaten fast eine Million Menschen das Leben kostete. Man merkte

das Gedenken an dieses unheilvolle Erlebnis in unserer ersten Reisewoche an allen Ecken. Denn genau eine Woche lang müssen die Menschen in Ruanda sich ihrer Geschichte stellen.

Täglich gibt es Gedenkfeiern, an denen zur Versöhnung aufgerufen wird; die Bevölkerung arbeitet bis 14 Uhr und macht sich dann auf den Weg zu den Feiern. Ob dieses kollektive Gedenken eine angemessene Aufarbeitung des Geschehens ist, bleibt dahingestellt.

 

From the leaf to the cup

 

Nach einem ersten Tag in der pulsierenden Hauptstadt Kigali, die, im Gegensatz zu vielen anderen Großstädten, sehr sauber und leise ist - geht es gleich weiter in den Norden des Landes, nach Kinihira, wo der Sitz der Teekooperative ASSOPTHE sowie der Teefabrik SORWATHE liegt. Wir treffen den Manager von ASSOPTHE, Jean Marie Vianney Habineza, der uns die Entstehung und Arbeitsweise der Organisation erklärt. Nach dem Genozid kamen1995 die ersten Kleinbauern zurück, beseitigten in mühevoller Arbeit die Schäden auf den Plantagen und setzten den Teeanbau und die administrative Arbeit langsam

wieder in Gang. Seit 2009 ist die noch junge Kooperative im Fairtrade-System und gleichzeitig die einzige Fairtrade- Teekooperative in Ruanda. Die Bauern pflanzen und ernten den Tee – also von der Pflanze zum Blatt. Die weitere Verarbeitung wird in der Teefabrik erledigt. Der Tee wird auf rund 850 Hektar, die im Besitz von ASSOPTHE sind, von mehr als

4.500 Kleinbauern angebaut. In der Erntezeit kommen noch einmal rund 2.500 Pflücker hinzu, die jedoch nicht von den Bauern eingesetzt werden, sondern von ASSOPTHE und SORWATHE. 100 bis 250 Bauernfamilien sind jeweils in Gruppen zusammengeschlossen und haben ihre eigenen Hangar, zu denen sie ihren Tee zum Wiegen bringen. Dort sind auch Toiletten, Wasch- und Aufenthaltsräume. „Die Gruppen werden von Gruppenvorständen

geleitet und diese unterstehen wiederrum dem Manager der Kooperative.

Es gibt Berater/-innen, die den Bauern und Bäuerinnen zeigen, wie sie die Pflanzen anbauen, pflegen, düngen, ernten etc. Im Vorstand einer Gruppe sind immer auch Farmer vertreten“, erklärt Jean Marie. „Tee ist eine gute Pflanze mit hohem Ertrag – aber wir brauchen mehr Tee, weil der Preis zu niedrig ist“, sagt Jean Marie, „der Ertrag liegt bei rund 40 t/Hektar. Die

Pflege der Pflanzen ist enorm wichtig – das trainieren wir mit den Farmern/-innen und Pflückern/-innen. Die Sträucher sollen gerade und glatt (wie ein Kubus) sein, statt rund wie ein Schirm – so lässt sich leichter und effektiver pflücken.“ Die Hangar, die Beratung und das Training werden unter anderem von der Fairtrade-Prämie bezahlt. Darüber hinaus gibt es beispielsweise Regenjacken für jeden. „Wir lassen unsere Farmer/-innen und

Pflücker/-innen mitbestimmen, was mit der Prämie passiert. Im Team sind drei Farmer/-innen, zwei Pflücker/-innen und ein/e Fabrikarbeiter/-in. Sie fragen die Mitglieder der Kooperative, was sie brauchen und wünschen“, erklärt Jean Marie.

 

One cow for one farm

 

Außerdem gibt es das Projekt „one cowfor one farm“, durch das bereits 140 Kühe an die ärmsten Bauern verschenkt wurden. „Durch die Kühe erhalten die Bauern Milch und Dung für das Beheizen des Herdes.“ Weitere Vorteile durch die Fairtrade-Prämie sind Ausfallgelder im Falle von Neupflanzungen und Mikrokredite zur Eigenfinanzierung. 86 Prozent der Pflücker/-innen sind Frauen, das Genderprogramm ist bekannt und wird eingesetzt, allerdings sind lediglich 16 von 95 Mitarbeitenden im Organisationsbereich der Kooperative und Teefabrik Frauen. „Eine bevorzugte Einstellung von Frauen bei gleicher Qualifikation

wird vorangetrieben. Das bedeutet, dass gut ausgebildete Frauen bei uns sehr gute Chancen haben, eingestellt zu werden.“ Die Prämie belief sich in 2015 auf rund 70.000 Euro (ca. 60 Mio Rwf). SORWATHE gehört zu Tea Importers, Inc. mit Sitz in den USA. Joe Wertheim

hat SORWATHE gegründet, mittlerweile ist Sohn Andrew Präsident der Firma. Die gesamte Vermarktung und der Vertrieb laufen also von Amerika aus. Die Manager in der Teefabrik haben keinen Einfluss wohin der Tee geht. SORWATHE ist sowohl Fairtrade als auch Rainforest Alliance gesiegelt, wobei der weitaus größere Absatz über Rainforest Alliance

geschieht. Nur zehn Prozent des Tees werden unter Fairtrade Tee verkauft – die Nachfrage ist nicht hoch genug. El Puente nimmt lediglich einen kleinen Teil des Tees ab. Aber in Ruanda ist selbst der Faire Handel anders…

 

Es gibt noch viel zu tun

 

Auch wenn die Lebens- und Arbeitsbedingungen durch den Fairen Handel sicherlich höher sind als bei vergleichbaren Bauern und Bäuerinnen sowie Arbeitern/-innen in Ruanda, ist die

Armut der Menschen groß. Die Identifizierung mit Fairtrade ist vielleicht noch im Management erkennbar, unter den Bauern und Bäuerinnen sowie Arbeitern/-innen spielt der Faire Handel keine Rolle. Der Besuch der staatlichen Schulen wird den Kindern zwar

ermöglicht – es herrscht Schulpflicht in Ruanda –, doch diese Schulen sind schlecht ausgestattet und die Lehrer sind nicht gut ausgebildet. Nur einige Jugendliche schaffen den Weg zur höheren Schule oder gar zur Universität. Ob sie dann jedoch als Farmer/-innen

zurückkommen, ist fraglich. Einige Teekinder sind nach der Ausbildung ins Management der Kooperative bzw. der Fabrik gegangen – doch für alle ist dort auch kein Platz. Die Probleme der Menschen sind offensichtlich weltweit ähnlich – die Möglichkeit zur Veränderung

dauert jedoch unterschiedlich lange. In Ruanda ist eben alles ein wenig anders…

Gundis Jansen-Garz

 

 

 


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