Wie wirkt der Faire Handel?

Vom guten Willen zur gesellschaftlichen Veränderung

Immer wieder werden in den letzten Jahren Fair-Handels-Organisationen mit der Frage konfrontiert, was der Faire Handel wirklich bewirken kann. Die letzte Faire Woche hatte das Motto "Fairer Handel wirkt". Eine Reihe wissenschaftlicher Studien, wie z. B. die der Harvard Universität, hat sich mit den Wirkungen im Fairen Handel auseinander gesetzt. Aber was genau bezeichnen wir als Wirkungen des Fairen Handels? Welche Grenzen und Herausforderungen gibt es? Und wie können Mitarbeiter/-innen im Weltladen die Wirkungen des Fairen Handels vermitteln? Wann sprechen wir von „Wirkungen“?

 

 

 

 

Der gute Wille, etwas zu verändern, ist bei den Akteuren im Fairen Handel weit verbreitet. Die gewünschte Wirkung auch tatsächlich zu erzielen, ist aber eine andere Sache. Wirkungen sind Veränderungen, die nach einer erfolgten Maßnahme auftreten. Hierzu gehören auch nicht erwartete und unerwünschte Wirkungen. Die Zahlung eines fairen Preises oder die Umstellung einer Kaffeefinca auf biologischen Anbau ist wissenschaftlich betrachtet noch keine Wirkung, sondern erst einmal eine Leistung. Erst wenn die Zielgruppe ihre Fähigkeiten und ihr Handeln und damit die Lebenssituation in ihrem Umfeld verändert, können wir von „Wirkungen“ sprechen (Outcome + Impact). Damit beziehen Wirkungen sich immer auf eine größere Gemeinschaft und sind erst nach längerer Zeit messbar. Zahlreiche  wissenschaftliche Untersuchungen belegen die vielfältigen Wirkungen des Fairen Handels, z. B. die bessere Ausbildung von Kindern, die durch ein höheres Einkommen ermöglicht wird. Oder die politische Stärkung und Qualifizierung von Produzenten/-innen, die dazu beitragen, dass sie sich für ihre Anliegen einsetzen und gemeinsame Lobbyarbeit leisten.

Beispiele von Wirkungsstudien im Fairen Handel

Die Messung von langfristigen Wirkungen ist sehr zeit- und kostenintensiv. Daher wurden bisher abhängig vom jeweiligen Interesse der beauftragenden Institution vor allem Studien zu einzelnen Produkten und Regionen (z. B. Kaffee in Mexiko oder Blumen in Kenia) erhoben, während andere Regionen und Produkte wenig untersucht wurden. So bezieht sich ein Großteil der Studien im Fairen Handel auf Kaffee (65 Prozent) oder andere landwirtschaftliche Erzeugnisse und auf die Region Südamerika (70 Prozent). Eine Wirkungsanalyse in einer anderen Region kann zu völlig anderen Ergebnissen kommen. Fairtrade hat zur Messung der Erfolge seiner Arbeit ein eigenes Wirkungsmodell zugrunde gelegt: die „Theorie des Wandels“. Durch höhere Einkommen, eine Anpassung an den Klimawandel oder Maßnahmen zur Ernährungssicherung soll weltweit die Lebenssituation von Kleinbäuerinnen und –bauern verbessert werden. Fairtrade International erhebt regelmäßig Daten, um die tatsächlichen Wirkungen in diesen Bereichen zu ermitteln und ggf. die Maßnahmen anzupassen. Die World Fair Trade Organisation (WFTO) hat ein  Garantiesystem eingeführt, anhand dessen die Einhaltung der zehn Prinzipien des Fairen Handels geprüft werden. Hier geht es vor allem um den „Output“ der Organisationen (Zahlung fairer Preise, Angebot von Fortbildungen), aber kaum um die Messung mittel- und langfristiger Wirkungen auf die Lebensbedingungen der Produzenten/-innen. In einer Studie des Centrums für Evaluation Saarbrücken (CEval) zu den Wirkungen des Fairen Handels aus dem Jahr 2012 anhand von sechs Produktsektoren und fünf Ländern wurde Folgendes herausgefunden: „Der wichtigste Unterschied für Bauern und Arbeiter ist die Möglichkeit, Entwicklungsprojekte für ihre Gemeinden zu planen, zu konzipieren und umzusetzen. Diese Planungs- und Umsetzungsabläufe führen dazu, dass ganze Gemeinden eine neue Verantwortung und Gefühl für Ownership über die Projekte übernehmen.” Die in diesem Jahr erschienene Studie von CEval, die von TransFair, Engagement Global, Brot für die Welt, MISEREOR und dem Forum Fairer Handel in Auftrag gegeben wurde, befasste sich dagegen mit der Frage nach den gesellschaftlichen Veränderungen durch den Fairen Handel in Deutschland. Als ein Ergebnis wurde die größere Präsenz von fair gehandelten Produkten im konventionellen Einzelhandel in den letzten 15 Jahren festgestellt. Eine wesentliche Wirkung, die durch den Fairen Handel und damit auch durch das Engagement von  Weltläden, erreicht wurde, ist die größer werdende Bedeutung von fairer Beschaffung in Kommunen. Nach Aussage der Studie bestehen auch innerhalb der Fair-Handels-Bewegung selbst noch Möglichkeiten, um die Wirksamkeit der Arbeit im Fairen Handel zu steigern und damit zu weiteren gesellschaftlichen Veränderungen beizutragen. Potenziale sehen die Autoren/-innen der Studie dabei vor allem in einer stärkeren Abstimmung der Partner/-innen im Fairen Handel und einer intensiveren Zusammenarbeit mit weiteren zivilgesellschaftlichen Akteuren.

Grenzen und Herausforderungen im Fairen Handel

Trotz aller Erfolge müssen wir feststellen, dass der Faire Handel nur einen kleinen Anteil der Menschheit erreicht und immer noch achthundert Millionen Menschen von Hunger und extremer Armut betroffen sind. Hier braucht es strukturelle Veränderungen, die auf politischem Weg herbeigeführt werden müssen. Dazu zählen z. B. die Abschaffung von Subventionen für EU-Exporte, ein verbesserter Zugang zu fruchtbarem Land für Kleinbauern und –bäuerinnen der eine höhere Wertschöpfung in den Produktionsländern. Manche Produzenten / Produzentinnen verkaufen oft weniger als ein Drittel ihrer Ernte  unter fairen Bedingungen, aber die Zertifizierung und die Umstellung auf biologischen Anbau rechnen sich erst ab einer bestimmten Absatzmenge. Für viele kleine Organisationen stellen zudem die Kosten und der große Aufwand der Zertifizierung eine Hürde dar. Wirkungen des Fairen Handels werden auch durch andere Entwicklungen negativ oder positiv beeinflusst. Neben den oben genannten weltwirtschaftlichen Faktoren stellt der Klimawandel für viele Produzierende in Afrika, Lateinamerika und Asien eine große Herausforderung dar. So wird die Kaffeeernte vor allem in Mittelamerika in den letzten Jahren immer wieder durch starke Regenfälle und länger anhaltende Trockenheit sowie eine damit verbundene Pilzkrankheit beeinträchtigt, die die Kaffeepflanzen dauerhaft schädigen.

Wirkungen im Weltladen kommunizieren – aber wie?

Viele Kunden/-innen sehen die Zahlung eines höheren bzw. gerechteren Preises als das einzige oder wichtigste Kriterium im Fairen Handel an. Hier ist es wichtig, die Wirkungen differenziert darzustellen und auch andere Aspekte anzusprechen, wie z.B. die  Vorfinanzierung, die Qualifizierung von Arbeiterinnen und Arbeitern oder die Verbesserung der lokalen Infrastruktur. Dabei ist es hilfreich, dem Fairen Handel ein Gesicht zu geben und Veränderungen am Beispiel einer Kooperative oder einer Produzentin / eines Produzenten zu verdeutlichen. So sind Besuche von Handelspartner/-innen im Rahmen der Fairen Woche eine gute Möglichkeit, etwas von der konkreten Lebenssituation und den Verbesserungen durch den Fairen Handel zu erfahren. Der Faire Handel ist in Deutschland die größte entwicklungspolitische Bewegung und schafft eine Orientierung in einer zunehmend globalisierten Welt. Er eröffnet Handlungsoptionen für Verbraucher/-innen und schafft Möglichkeiten des bürgerschaftlichen Engagements und einer sinnstiftenden politischen Betätigung. Auch das können und sollten wir kommunizieren. Letztlich ist der Faire Handel kein perfekter Zustand, sondern ein Prozess mit stetiger Veränderung. Ebenso komplex wie weltwirtschaftliche Zusammenhänge sind auch die Wege und Wirkungen des Fairen Handels. Da gibt es keine einfachen Rezepte und kein einheitliches Modell. Der Faire Handel bietet viele Möglichkeiten, hat aber auch klare Grenzen. Wenn diese offene und reflektierte Haltung im Gespräch mit Kundinnen und Kunden gelingt, lässt sich auch im Weltladen leichter mit Kritik umgehen.

Achim Franko

aus „Welt&Handel Nr. 10/2016“

 


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