Friedel Hütz-Adams vom Südwind-Institut beschäftigt sich intensiv mit dem Thema „Kakaoanbau“ und hat mehrere Publikationen dazu herausgegeben.
W&H: Der Kakaosektor ist in den vergangenen Monaten zu einem wesentlich größeren Thema im Fairen Handel geworden als bisher. Was macht ihn so prekär?
Friedel Hütz-Adams: Mehr als 90 Prozent der weltweiten Kakaoproduktion stammen von rund 5,5 Mio. Bäuerinnen und Bauern, in der Regel weniger als drei Hektar bewirtschaften und nur rund 400 Kilogramm pro Hektar ernten. Die meisten von ihnen bestreiten den größten Teil ihres Einkommens aus dem Verkaufvon Kakao und sind somit extrem abhängig von diesem Exportprodukt.
W&H: Kinderarbeit ist eines der wesentlichen Probleme im Kakaoanbau – welche sind noch da?
Friedel Hütz-Adams: Kinderarbeit ist ein Symptom für die schlechte Lage der Bäuerinnen und Bauern. Noch vor wenigen Jahrzehnten waren viele Kakaoanbauer in Westafrika verglichen mit Produzenten/-innen anderer Produkte relativ wohlhabend und konnten es sich leisten, ihre Kinder zur Schule zu schicken. Inflationsbereinigt kostete eine Tonne Kakao im Jahr 1980 noch über 5.000 US-Dollar, im Jahr 2000 waren es 1.200 US-Dollar, heute sind es knapp 3.000 US-Dollar. Von diesem Geld kommt nur ein Teil bei den Bäuerinnen und Bauern an. Die Zahl der Berichte über Kinderarbeit nahm drastisch zu, als der Preis fiel. Die Bäuerinnen und Bauern hatten schlicht und einfach kein Geld mehr, Erwachsene als Erntehelfer einzustellen und ließen ihre eigenen Kinder mitarbeiten oder heuerten Kinder an, die wesentlich preiswerter waren als volljährige Beschäftigte.
W&H: Das neue Kakaoprogramm von Fairtrade soll für einen wesentlich höheren Absatz von Kakao sorgen und so ein Instrument zur Armutsbekämpfung sein. Hilft das den Bäuerinnen und Bauern?
Friedel Hütz-Adams: Bislang haben viele der zertifizierten Bäuerinnen und Bauern das Problem, dass es keine Kunden für ihre Waren gibt. Daher bezahlen sie die Gebühren für die Zertifizierung stellen ihre Arbeitsweise um, da sie Kriterien einhalten müssen, erhalten jedoch für einen großen - häufig sogar den größten - Teil ihres Produktes keine Prämien, sondern können ihren Kakao nur über den konventionellen Markt verkaufen. Wenn es demnach gelingt, mehr zertifizierten Kakao auch tatsächlich mit Siegel zu verkaufen, dann ist das aus Sicht der Kakaobauern ein Fortschritt, da sie bzw. ihre Kooperativen mehr Prämien erhalten. Der Absatz ihrer Ernte ist oft daran gescheitert, dass Schokoladenproduzenten zwar zertifizierten Kakao kaufen wollten, nicht jedoch auch zertifizierten Zucker.
Angesichts der heimischen Zuckerrübenproduktion und einer unklaren ökologischen und sozialen Bilanz beim Import von Rohrzucker ist dies ein nachvollziehbarer Widerstand. Für die Kakaobauern bedeutete dies, dass durch die Koppelung ihres Produktes an den Zucker viele Nachteile entstanden. Von daher: wenn der Kakao Absatz steigt, ist den Bäuerinnen und Bauern geholfen – nicht jedoch denen, die Zucker anbauen.
W&H: Welche Maßnehmen würden Ihrer Meinung nach zu besseren Lebensbedingungen der Bäuerinnen und Bauern führen?
Friedel Hütz-Adams: Weit wichtiger als Mindestpreise (der Weltmarktpreis liegt er schon seit Jahren über den Mindestpreis von Fairtrade) und der Zahlung von Prämien, die derzeit deutlich unter zehn Prozent des Weltmarktpreises ausmachen, ist Training für die Bäuerinnen und Bauern. Wenn diese mehr Kenntnisse über den Anbau von Kakao hätten, könnten sie deutlich höhere Erträge pro Hektarerzielen.
Ebenso wichtig ist, dass sie unterstützt werden bei der Diversifizierung ihres Anbaus hin zu anderen Früchten: Es ist ein großes Problem, dass ihnen häufig grundlegende Kenntnisse über den Anbau von Nahrungsmitteln fehlen, und sie Kakao zu stark schwankenden Preisen verkaufen müssen und zugleich auf den Kauf von Nahrungsmitteln angewiesen sind. Diversifizierung und Training sind daher zentrale Aspekte!